Zahlreiche Themen bewegen regelmäßig Arbeitnehmer und Arbeitnehmer gemeinsam: Arbeitslohn, Arbeitszeit und Arbeitsorganisation sowie Arbeitssicherheit und Arbeitsausrüstung. Die Forderung eines einzelnen Beschäftigten gegenüber einem Unternehmen, einer Branche wäre aufgrund der Kräfteverhältnisse nicht durchsetzbar. Ebenso sind die unterschiedlichen Sichtweisen möglicher Reizthemen rollenbedingt nicht ungewöhnlich. Die Bündelung von Interessen in der Solidargemeinschaft einer Gewerkschaft ist daher zweckmäßig und kann schon mehr ausrichten. Demonstrationen und Arbeitskämpfe unter taktischer Einbeziehung der Medien konnten in den letzten Jahrzehnten in Deutschland schon einiges bewirken. Dabei ist allerdings auch im Einzelfall verantwortungsbewusstes Maßhalten angesagt. Betroffene Branchen und Unternehmen dürfen nicht in Not geraten, ist doch die Arbeitsplatzgarantie für die Beschäftigten oberstes Gut. Die konjunkturellen Rahmenbedingungen dürfen daher nicht außer Acht gelassen werden. Eine kontrollierte Streikkultur hat in den letzten Jahrzehnten überzeugend dazu beigetragen, dass erhebliche gesellschaftliche Spannungen ausgeblieben sind.
Die Organisation der großen deutschen Gewerkschaften
Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB mit Hauptsitz in Berlin bildet die bundesdeutsche Dachorganisation für Einzelgewerkschaften in Deutschland. Dazu zählen in der Reihenfolge der Mitgliederstärke (Stand Jahr 2016):
- Industriegewerkschaft Metall (IGM) mit 2.274.033 Mitgliedern
- Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) mit 2.011.950 Mitgliedern
- IG Bergbau, Chemie, Energie 644.944 Mitgliedern
- IG Bauen-Agrar-Umwelt mit 263.818 Mitgliedern
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit 278.306 Mitgliedern
- Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NNG) mit 201.623 Mitgliedern
- Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit 192.807 Mitgliedern
- Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit 180.022 Mitgliedern
Außerhalb des DGB besteht außerdem noch eine weitere große Gewerkschaft, die sich für die Belange des öffentlichen Dienstes einsetzt:
- Deutscher Beamtenbund und Tarifunion
Mit mehr als 1,3 Millionen Mitgliedern ist der Deutsche Beamtenbund (DBB) eine große deutsche Interessenvertretung für Beamte und Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes sowie im privaten Dienstleistungssektor.
IG Metall als weltweit größte organisierte Arbeitnehmervertretung
Die IG Metall hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Mehrere Branchen sind darin vertreten:
- Stahl
- Metall
- Elektro
- Textil/Bekleidung (seit dem Jahr 1998)
- Holz/Kunststoff (seit dem Jahr 2000)
- Informations- und Kommunikationstechnologie
In mehreren großen deutschen Betrieben wie das Volkswagenwerk in Wolfsburg ist die Industriegewerkschaft Metall stark vertreten. Vorläuferorganisation der heutigen Industriegewerkschaft Metall war die Im Jahr 1891 gegründete Gewerkschaft Deutscher Metallarbeiter-Verband (DMV). Die Industriegewerkschaft Metall ist auch in internationalen Verbänden wie dem Europäischen Metallgewerkschaftsbund (EMB) und im Internationalen Metallgewerkschaftsbund (IMB) vertreten. Sie kann auf exklusive Erfolge hinweisen. Dazu zählt die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Einführung der 40- und in der Folge 35-Stunden-Woche sowie sechs Wochen Urlaub.
Für die Gewerkschaften gelten neue Herausforderungen durch Veränderungen der Arbeitswelt
Wenngleich auch die Mitgliederstärke nicht 1:1 auf den Einfluss der Einzelgewerkschaften zu übertragen ist, so spielt die Möglichkeit zur Solidarisierung großer Beschäftigtenbereiche nach wie vor eine entscheidende Rolle. Ausnahmen bestätigen allerdings immer wieder die Regel. Als über einen längeren Zeitraum die Lokomotivführer streikten oder Zehntausende uniformierte Polizisten lautstark demonstrierten, war die Öffentlichkeitswirkung gewaltig. Hinter dem Lokomotivführerstreik und der Polizisten-Demo steckten nur vergleichsweise kleine Gewerkschaften. Im Regelfall wird das bundesdeutsche Streik- oder Demonstrationsbild in der Öffentlichkeit durch die beiden Gewerkschaftsriesen Industriegewerkschaft Metall und Verdi gestaltet. Seit dem Zusammenschluss von fünf ehemaligen DGB-Gewerkschaften im Jahr 2001 war mit Verdi ein weiteres gewerkschaftliches Schwergewicht geboren worden. Seitdem engagiert sich Verdi in allen Belangen des öffentlichen Dienstes sowie Dienstleistern in der freien Wirtschaft. Strukturelle Veränderungen der Arbeitswelt haben auch ihren Einfluss bei den Gewerkschaften hinterlassen. Nicht zuletzt ist im Zehnjahresvergleich vom Jahr 2006 bis zum Jahr 2016 die Mitgliedschaft in den DGB-Gewerkschaften von 6.585.774 auf 6.047.503 zurückgegangen. Gründe hierfür waren zahlreiche Austritte durch Entlassung/Arbeitslosigkeit und die Altersstruktur der Mitglieder. In einigen Jahren wurden deutlich mehr Sterbefälle verzeichnet als Neueintritte in die Gewerkschaften. Außerdem kündigten mehr Rentner als zuvor ihre Mitgliedschaft. Auswirkungen zeigen aber auch die Modernisierungen in der Arbeitswelt, strukturelle Veränderungen und taktische Herausforderungen wie
- Ausstieg von Firmen aus dem Flächentarifvertrag
- Rückgang klassischer Industriebereiche
- Revolutionäre Entwicklungen in den Bereichen Software-Entwicklung, Telekommunikation und Datenverarbeitung
- Änderung des Solidarverhaltens und anderer gesellschaftlicher Werte
- Zersplitterung großer Unternehmen in zahlreiche kleine Organisationen
Durch konjunkturelle Verbesserungen, insbesondere einen drastischen Rückgang der Arbeitslosigkeit, scheint der Trend zum Mitgliederschwund gebremst worden zu sein. In einigen Gewerkschaften sind wieder erste, kleine Zuwächse zu verzeichnen. Die großen Gewerkschaften scheinen indessen wieder an Rollenbewusstsein zugelegt zu haben. Neben der alljährlichen Forderungsrunde für höhere Löhne und Gehälter kamen für die Industriegewerkschaft Metall aktuelle Aufgaben hinzu. Dazu zählten die geplanten Werksschließungen bei Siemens in Leipzig und Görlitz oder die Fusion des indischen Unternehmens Tata mit ThyssenKrupp. Verdi engagierte sich in Sachen Pflegepersonal, Amazon oder Air Berlin.